Akupunkturlehrerin Rafaela Allgöwer

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Das Rad der fünf Elemente

Ein weiser Chinese - hätte er meine Artikelserie bis jetzt gelesen - würde nur den Kopf schütteln und mir sagen, dass ich das Pferd vom Schwanz aufgezäumt habe. Man kann doch nicht zuerst die Teile beschreiben und dann das Ganze. Das ist typisch westliches, analytisches Denken.
Der Chinese sieht und lebt das Ganze. Er nimmt einen Berg als Ganzes wahr und weiß, dass die Schluchten, Bergwälder, Bäche, Felswände und Bergwiesen Teile des Berges sind, die nicht allein existieren können. Niemals gibt es nur eine Schlucht für sich allein; niemand weiß, wo genau sie anfängt, wo sie in den Bergwald, in den Bach übergeht. Ohne den Bach, ohne die Felsen gäbe es sie gar nicht. Auch der Berg als Ganzes wäre nicht vorhanden, gäbe es kein Tal, keine Ebene.
Der menschliche Verstand kann die Komplexität des Lebens nicht nachvollziehen, er analysiert, trennt. Wie Lao Tse im Tao Te-King Sagt:


" Erst seit auf Erden
ein jeder weiß von der Schönheit des Schönen,
gibt es die Hässlichkeit;
erst seit ein jeder weiß von der Güte des Guten,
gibt es das Ungute. Wahrlich:
Sein und Nichtsein entspringen einander;
schwer und leicht bedingen einander;
lang und kurz vermessen einander
hoch und tief erzwingen einander
Die Stimme fügt sich dem Ton im Chor;
und ein Danach folgt dem Zuvor."

 

Das Leben ist eine Einheit, ein ständiges Fließen. Die scheinbaren Gegensätze ergänzen sich zum Ganzen .


Der Verstand analysiert und vereinfacht
 

Im Westen versuchen wir das Leben mit Hilfe der Naturwissenschaften zu verstehen. Als Biologin habe ich selbst erlebt was beim Forschen passiert: Man widmet sich einem Problem - schon von vornherein ein winziger Teilaspekt einer Teilwissenschaft, man findet ein Ergebnis und von diesem Ergebnis aus ergeben sich mindestens zehn neue Probleme, die natürlich noch weiter ins Detail führen. Es ist, als ob man den Berg erkennen wollte, indem man in den Bergwald geht, dort einen einzelnen Baum untersucht, dann einen Ast, dann ein einzelnes Blatt usw. Alles, was erreicht wird, ist, dass ich mich immer weiter vom Berg entfernt. „Der Naturwissenschaftler weiß mehr und mehr über weniger und weniger" ist ein weitverbreiteter Spruch.
Oder der Verstand vereinfacht, geht von Voraussetzungen aus, die klar und einfach definiert werden und baut darauf ein Gedankengebäude wie die Newton'sche Mechanik oder die Euklidische Geometrie. Mit diesen Modellen kann der Verstand zwar gut arbeiten, aber sie entsprechen nicht der Wirklichkeit.
Auch in China ist man teilweise den Weg der Vereinfachung gegangen. Die fünf Elemente wurden zu Schulwissen, waren nicht mehr eigene, lebendige Erfahrung, sondern eine rein verstandesmäßige Lehre, auf der ein Gedankengebäude errichtet wurde, mit dem der Verstand arbeiten kann. Da dies dem Westen sehr entspricht, stehen diese Regeln bei uns in jedem Akupunkturbuch als unumstößliche Wahrheit.

Es handelt sich um folgendes, an der chinesischen Gesellschaftsordnung orientiertes Modell: die fünf Elemente werden in einem Kreis angeordnet in der Reihenfolge Holz - Feuer - Erde - Metall - Wasser. Jedes Element ist die Mutter des vorhergehenden und „ernährt“ es, gibt ihm Energie. Holz ernährt Feuer, Feuer ernährt Erde usw. (in der Zeichnung durch gebogene Pfeile angedeutet). Jedes Element ist auch die Großmutter des übernächsten Elements und kontrolliert es. Holz kontrolliert also Erde, Feuer kontrolliert Metall usw. (in der Zeichnung mit geraden Pfeilen angedeutet).
Mit diesen Regeln kann man, wie mit der Newton'schen Mechanik, einige Zusammenhänge herstellen, naturgemäß vereinfacht, was auch zu einer vereinfachten, an der Oberfläche orientierten Akupunktur führt.

 

Zwei medizinische Grundrichtungen
 

Es gibt grundsätzlich zwei, Richtungen von Medizin: Die eine sucht Krankheit mit dem Verstand zu erklären und bleibt daher so oberflächlich wie der Verstand dem ja auch ein Phänomen wie die Liebe nicht zugänglich ist Nach dem obigen Modell sieht er einen Zusammenhang zwischen unterdrückter Wut, die zum Holz gehört, und einem Magengeschwür, einem Symptom des Erdelements, das vom Holz kontrolliert wird. Nun wird der Umkehrschluss gezogen, dass der Patient seine Wut leben muss, damit das Magengeschwür verschwindet. Gesetzt den Fall, ich bringe meinen Patienten dazu. Wie kuriere ich dann seine Wut? Auf diese Art kann ich in endlosen Kreisen, von einem Symptom zum nächsten, immer weitermachen und mich mit immer neuen Konditionierungen, Verhaltens-, Gefühls-, Denk- und Körpermustern herumschlagen, die das wahre Wesen des Patienten verdecken.
Die zweite Art, die ich für die wahre Medizin halte, beschäftigt sich nicht mit den Disharmonien, sondern bringt das wahre Wesen en des Menschen zum Vorschein und veranlasst ihn,
nach seiner eigenen Harmonie zu suchen. Sie analysiert, erklärt und kuriert nicht die Dunkelheit, sondern bringt Licht.
Jede Akupunkturbehandlung bringt ein wenig Licht in das Leben des Patienten, lässt ihn - wenn auch zunächst sehr unbewusst - wieder ein Stück seines wahren Wesens erkennen. Er blüht auf. Disharmonie und Krankheit verschwinden.
Eine solche Behandlung setzt beim Therapeuten voraus, dass er selbst auf der Suche nach seinem wahren Wesen ist, dass er meditiert. Nur Meditation führt über den Verstand hinaus, zu einer klaren Schau der Akupunkturpunkte, die im jetzigen Zustand, in diesem Moment seiner Entwicklung für den Patienten wichtig und richtig sind.
Durch Meditation geschieht ein Abstand, ich bin meinem tiefstem Innern näher, so dass die Gedanken, die Gefühle, der Körper an der Oberfläche beobachtet werden. Ich bin dem Ganzen näher, erfasse den ganzen Berg, um beim obigen Beispiel zu bleiben. Ich habe eine lebendige Wahrnehmung meines Patienten und der Punkte, die dazu führen, dass ein kleines Stück der Maske, die über seinem wahren Wesen liegt, verschwindet.

 

Chinesische Weisheit

Diese lebendige Wahrnehmung kann nicht durch Buchwissen vermittelt werden. Durch Jahrtausende hindurch wird sie vom Akupunkturmeister auf seinen Schüler übertragen, wenn durch Meditation und Lebenserfahrung Reife und Aufnahmebereitschaft entstanden sind.
Die Weisen sahen und hörten, rochen, schmeckten und fühlten die Welt, und erkannten die Harmonie, das Eine, Untrennbare. Sie schauten auf den Menschen und sahen vor allem Disharmonie, Trennung, zwei oder viele. Sie suchten nach Mitteln und Wegen, die dem Menschen helfen würden zu finden, was sie fanden und zu erkennen, was sie leben: das Ganze.
Wissend , dass das Ganze nicht erklärbar, sondern nur erfahrbar ist, sahen sie auf den Menschen, sahen sie auf die Natur und wählten Symbole, die sie Elemente nannten, also die elementaren Äußerungen des Seins.

Rad der ElementeDie Erde unser aller Existenzgrundlage, die uns trägt, die uns ernährt, auf der wir gehen und stehen, zu der nach unserem Tod unsere Körper zerfallen.

Das Wasser, ohne das kein Leben ist, das die Fruchtbarkeit der Erde erschließt, das kühlt und die Wärme des Tages speichert, das alles Überhebliche abträgt und alles Scharfe rundet, sich hingibt und sich selbst immer treu bleibt. Das Wasser, das als große Fläche für uns ebenso feindlich ist wie die Wüste, aus dem dennoch alles Leben kommt.

Das Feuer, ohne das kein Leben ist, das die Wärme gibt für alles Wachsen und Gedeihen, ohne das alles tot und starr wäre, das aber auch vernichtet und dessen Asche fruchtbar ist.

Das Holz. Symbol des Wachsens und Lebens, in immer neuen Formen sich findend von unerschöpflicher Kreativität, nimmt das Wasser aus der Erde, transformiert das Feuer nährt das Feuer, wird wieder Erde.

Und schließlich das Metall Symbol für das menschliche Handeln und Gestalten, für immer weiteres Veredeln und Verfeinern aus dem rohen Erz bis zur feinsten Klinge, zerstört und schafft, speichert nichts, sondern gibt alles gleich weiter, ist hart und biegsam.


Disharmonie als Folge von Unterdrückung

Die Weisen sahen die Menschen, erkannten, dass keiner dem anderen gleicht, dass der eine dem Feuer, der andere dem Wasser, der dritte auch zwei Elementen mehr zugeneigt ist und ihm wirken, mehr oder weniger ausgeprägt. Sie sahen, dass die einzelnen Elemente einander bedingen, nicht nur im einzelnen Menschen, sondern auch im Zusammenleben; sahen. das Bestreben nach Ausgewogenheit und Harmonie. Sie erkannten, dass der Mensch nicht nur elementare Gaben mitbekommen hat, die zu erkennen, entwickeln, verfeinern und harmonisch zu leben seine Aufgabe sind, sondern auch, dass das Unterdrücken oder einseitig leben die Harmonie stört:

 

Erde. die alles unter sich begräbt, alles festhält, Erde, die so sehr dominiert, daß sie zur Wüste wird, so fruchtbar, dass Dschungel entsteht, Erde, die alles verschlingt.

Wasser kann entweder fehlen, so dass alles vertrocknet, überhitzt oder erkaltet, oder zu viel sein, so dass alles vermodert, in ihm versinkt; Wasser, das mit furchtbarer Sturmgewalt zerstört, die Erde bedeckt, überflutet, mitreißt, was ihm in den Weg kommt.

Feuer, so klein, dass alles erkaltet und erstarrt, das Leben abstirbt, die Flamme selbst von einem Wassertropfen gelöscht wird. Feuer, so gewaltig, dass es nur noch zerstört, dass nichts Lebendiges mehr übrigbleibt.

Holz, das nicht mehr wächst, niemandem zur Nahrung dient, das sich weder noch oben noch nach unten noch in die Breite traut, das die übrigen Elemente vergeudet, weil es sich abschließt und sich weigert sie aufzunehmen. Holz, das alles überwuchert, alles unter sich erstickt.

Metall, das grob und nutzlos herumliegt, in seiner Struktur erstarrt. Metall, das alles andere wegschneidet, mit künstlichen Formen überdeckt, das Lebendige zerstört.
 

Jedes Element, jedes Ding, jedes Lebewesen, jeder Mensch ist eigentlich ein organisch integrierter Teil des Ganzen. Wenn er sich vom Ganzen abwendet und versucht, seinen eigenen Willen, sein abgetrenntes Ego, sein " ich will nicht" oder "ich will mehr" durchzusetzen, wird er scheitern. Wie oft haben wir versucht, eine Idee, ein Ziel mit aller Macht durchzusetzen. Wenn es nicht stimmt, wenn die Idee nicht mit dem Ganzen fließt, ist sie letztendlich zum Scheitern verurteilt. Vielleicht gehen wir ein Stück des falschen Weges mit immenser Anstrengung, Anspannung und Stress, fechten immer wieder neue Konflikte durch, erschöpfen unsere Gesundheit.

Der persische Weise Kabir - ein Dichter hat das sehr schön formuliert:

Ich spreche zu meinem inneren Geliebten und ich sage:
Warum solche Hast?
Wir spüren, dass es eine Art Geist gibt,
der die Vögel und die Tiere und die Ameisen liebt, vielleicht derselbe, der dich in sein Licht hüllte
in deiner Mutter Schoß.
Muss es denn sein, dass du nun völlig verwaist umherziehst*?"
Die Wahrheit ist,
du selbst hast dich abgewendet und dich entschieden,
allein ins Dunkel zu gehen
Nun hast du dich in andere verstrickt, und hast vergessen, was du einst wusstest. Und deshalb ist, was immer du tust, seltsam zum Scheitern verurteilt.


Es ist nicht das System, es sind nicht die anderen Menschen, die an meinem Scheitern, an meinem Unglück schuld sind, sondern ich selbst habe mich vom Ganzen abgewendet und mich entschieden, allein ins Dunkel zu gehen.
Sich der inneren Führung anvertrauen
Welch eine ungeheure Chance! Denn ich kann mich auch dazu entscheiden, wieder zurückzukehren in den Schoß des Ganzen zu meinem "inneren Geliebten". Ich kann mein eigentliches Wesen wiederentdecken, "was ich einst wusste". Ich kann mich der unmerklichen Führung der all-einen Weisheit anvertrauen und meinen persönlichen Weg zur Harmonie finden. Hierzu gibt es vielerlei Meditationstechniken - für jeden die passende, Akupunktur, die Harmonie wachsen lässt, Tai Chi, Selbsterfahrungstechniken und noch vieles mehr. "Suche die Harmonie, erkenne Deine Disharmonie und Du wirst finden. "

Die fünf Elemente

 

Für Ihre Ausgewogenheit, für Ihr Ganz-Sein, ist es am besten, alle Übungen hintereinander zu machen, so wie sie in den vorhergehenden Ausgaben von NATUR & HEILEN beschrieben sind. Wenn Sie keine für Sie bessere Reihenfolge finden, nehmen Sie die obige und achten Sie darauf, dass Ihr schwächstes Element als letztes kommt. Z. B. Ihre Schwäche liegt im Wasser, dann nehmen Sie die Reihenfolge Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser. Machen Sie die Übungen für die gesunden Elemente jeweils mindestens 2-3 Minuten lang, die für das geschwächte Element länger, bis zu 20 Minuten.

2. Die Lücke zwischen den Atemzügen beobachten - eine alte buddhistische Meditation

Atmen Sie ein und bleiben Sie mit Ihrem Bewusstsein ganz beim Atem. Beobachten Sie ganz genau, wie der Atem durch die Nase eindringt und immer tiefer dringt. Bleiben Sie mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit bei der Ein- und Ausatmung. Bevor Sie ausatmen, entsteht eine winzige Pause Es wird einige Tage dauern, Sie sie bemerken. Dann ist Ihre Aufmerksamkeit wieder ganz beim beim Einatmen, wieder eine kleine Pause, dann sind Sie wieder beim Ausatmen voll dabei usw.

Machen Sie diese Meditation 20 Minuten bis eine Stunde pro Tag und achten Sie darauf, dass Sie den Atem keinesfalls in irgendeiner Weise verändern, ganz normal und natürlich geht er ein und aus. Für ausgeglichene Menschen, denen ruhiges Sitzen - Sie können jede bequeme aufrechte Sitzstellung einnehmen - keine Schwierigkeiten macht, ist dies eine sehr wirkungsvolle Methode. Eher unruhige Menschen werden Meditationen mit Bewegung vorziehen.

Rafaela Allgöwer & Gerhard Lindemann


Literaturempfehlung:
Worsley, J R. :Was ist AKUPUNKTUR Ryvellus
Mantak Chia Tao: Yoga des Heilens Ansata Verlag, Interlaken
Ted.JKaptchuk: Das große Buch der chinesischen Medizin 0.W Barth Verlag, Wien 1988
Osho: Meditation, die erste und letzte Freiheit. Osho Verlag Köln

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Rafaela Allgöwer

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